Die Idee hinter LeSingen ist einfach.
In der 1. Klasse wird allen Kindern lesen gelehrt und viele lernen dabei im Sauseschritt.
Aber für andere Viele ist Lesen lernen sehr mühevoll. 1/4 der Viertklässler:innen fehlt nach der aktuellen IGLU-Studie nach der 4. Klasse das Mindestniveau an Textverständnis, das für die
weiterführenden Schulen nötig wäre. 1/4 liest mühelos und kann locker durchstarten. Die Hälfte der Schüler:innen liest zwar wenn nötig, aber mit Anstrengung. So würde ich den Stand des
Leseleistung nach der 4. Klasse beschreiben. Die 25% Müheloslese:innen sind nur ein grober Beobachtungswert aus einzelnen Grundschulklassen - ohne exakte Studienlage - als Anschaungszahl aber
sehr hilfreich. Mühelos ist ja auch nicht wirklich definiert.
Ich nenne mühelos, wenn man einen komplizierten Text so erfassen kann, dass man zwar mit dem Inhalt seine Probleme haben kann, aber nicht beim Lesen selbst. Mühelos lesen heißt, Bücher zu lesen wie Filme zu gucken. Sich keine Gedanken machen müssen, wie man das Gelesene in Verstandenes umsetzt, weil es sich klar anfühlt - weil es einfach automatisch nebenher läuft, das Lesen. Ohne jede Anstrengung.
Also: Mühelosleser:innen 25%
Mehr-oder-weniger Mühevoll-Leser:innen: 50%
Ohne-Textverständnis-Leser:innen: 25%
Von den 25% Schlechtleseviertklässler:innen haben nach aktueller Studienlage und Schätzungen 5 - 10% eine Lese-Rechtschreibschwäche, die man nicht so einfach durch Üben überwinden kann. Bleiben also 65 - 70% Viertklässler:innen, die man prinzipiell auf die Stufe Mühelos-Leser:innen bringen könnte, würde man „einfach“ so lange üben, bis es funktioniert. Wie beim Autofahren. Irgendwann hat fast jede:r den Führerschein und fährt dann, ohne sich bei jeder Kreuzung erst mühevoll zu überlegen, wo jetzt Bremse und wo Gaspedal ist. Aber dieses endlose Üben, Üben, Üben ist natürlich speziell in der heutigen Zeit überhaupt nicht machbar.
Aus dieser Denkecke kommt nun die LeSingen Idee daher.
Stufe 1 - Das ganz normale Buchstaben und intensiv lesen lernen mit Lesehausaufgaben und allem Pipapo … die Anfangsbegeisterung für „Wow, ich gehe jetzt in die Schule“ Gefühl
nutzend.
Stufe 2: Diesen Lernprozess mit LeSingen parallel zu begleiten, das entwickle ich hier gerade für das Klett-Verlags-Ländle Baden-Württemberg. LeSingen darf nicht als zusätzliche Arbeit empfunden werden, man sollte es als Mühelos-Beschleuniger einbinden. Der Unterschied zwischen Mühelosleser:innen und Mehr-oder-weniger Mühevoll-Leser:innen ist schon nach der ersten Klasse riesig. Weil das Lösen jeder Schulaufgabe, Hausaufgabe oder jedes Tests egal in welchem Fach mit oder ohne Leseschwelle allein schon einen zeitlichen Unterschied macht. Aber noch mehr den Aufgabenkapierunterschied.
Meine 35 Jahre Erfahrungen als Gymi-Lehrer Mathe/Physik war: Die Hälfte meiner gymnasialen Schüler:innen waren welche mit einer gewissen Leseschwelle. Konnten also ihre Fähigkeiten nicht voll
ausspielen, weil das Leseverstehen nicht mühelos funktionierte. Und das natürlich in jedem Fach. Für die Schule nützt die Beruhigung, dass man später als Erwachsener dann schon mühelos lesen
lernt, wenn man jahrelang seinen eigenen Kindern vorliest, leider nichts mehr.
Deshalb die LeSingen Idee der Stufe 2: Lustvoll im Chor singend lesen üben, üben und nochmals üben.
Stufe 3: Wenn nach der 1.Klasse alle Buchstaben eingeführt sind und man anfängt, einfache Bücher zu lesen, kann man ja auch Songs lesingen. Weil man das heute kostenlos für alle Songs, die
die Kinder gerade cool finden, ausdrucken kann.
Zum Beispiel bei https://www.songtexte.com/
Nach dem beschleunigten Lernen durch begleitetes LeSingen in der ersten Klasse sollte man Musik einfach viel mehr lesingend nutzen. Songtext auf Papier in die Hand, Musik an und
mitgesungen.
Textsicherheit und Müheloslesen als Lernziel.
Finde ich. Gruß Otto Kraz
p.s. Es geht mir übrigens nicht ums laut lesen. Es geht um das mühelos verstehend leise lesen. Deshalb ist gerade auch das leise mitlesingen von
LeSingen-Liedern mit einem großen Lerneffekt verbunden.
Außerdem:
Stilles Lesen ist in der Regel 30–100 % schneller als lautes Lesen, abhängig von der Fähigkeit, Subvokalisierung zu kontrollieren, und der Komplexität des Textes. (Selbst beim stillen Lesen „sprechen“ viele Menschen die Wörter im Kopf mit, ein Prozess, der als Subvokalisierung bezeichnet wird.) Subvokalisierung bremst die Lesegeschwindigkeit und liegt oft nahe der Geschwindigkeit des lauten Lesens (bis zu 200 Wörten pro Minute). Wer diese Angewohnheit reduziert, kann schneller lesen. Wer gezielt daran arbeitet, still zu lesen und Subvokalisierung zu minimieren, kann also noch schneller lesen.