Effectarium 9 und die Brain Travelling Tour

9. Alles in einem Heft oder die Brain Travelling Tour

 

Was ich bisher zur Entwicklung einer eigenen kleinen Schule in der Schule erzählt habe, hält sich vom zeitlich Aufwand her in sehr kleinen Grenzen. Vom mentalen Aufwand her ist das eine ganz andere Sache. Denn wenn du hier im Kapitel 9 tatsächlich erfolgreich gelandet bist, bist du entweder sowieso ein entwicklungsorientierter Lambda-Native oder du hast wirklich einen großen inneren Rollentausch vollzogen. Lambda-Messen und Stück für Stück ohne Druck Verantwortung an seine Schüler:innen abgeben - dabei immer auf den Wissensstand der Klasse achten - das ist für die meisten Lehrer:innen eine schwierige Nummer. Denn:

- Es ist komplett unüblich.

- Man hat es nicht gelernt und ...

- es ist mit einem schlechten Gewissen behaftet, weil man ja seine Arbeit mit viel weniger Zeitaufwand machen kann als seine Kolleg:innen.

 

"Ein guter Lehrer arbeitet viel." Das ist doch in den Köpfen.

Nicht: Einem guten Lehrer muss es gut gehen und er muss genügend Zeit haben, sich um seine Schüler:innen zu kümmern."

 

Bei allem darfst du das Leistungsziel nicht aus den Augen verlieren. Denn: Deine eigene kleine Schule muss in der großen Schule funktionieren. Wenn es dir nichts mehr ausmacht, deinen eigenen Unterricht durch die Augen deiner Lernenden schmerzfrei betrachten zu können - der Eierkarton mit 10 Löchern lässt grüßen 🥳 - dann kannst du deine ganzen Ideen und Vorstellungen natürlich auf eine neue Stufe stellen - mit Hilfe eines eigenen Effectarium-Heftes. 

 

Meine eigenen ersten Erfahrungen habe ich früher mit einem Hausaufgabenheft gesammelt, das ich als frischgebackener Unterstufen-Verantwortlicher für unsere Fünftklässler:innen zusammen mit meinem damaligen Unterstufen-Team entwickelt habe. Da steckten tatsächlich im Rückblick schon ziemlich viele Ideen drin, die ich hier im Büchlein aufschreibe. Wir hatten ein neues Fach eingeführt - SoMeLe. Soziales- und Methoden-Lernen. Eine Stunde verpflichtend für alle 5. und 6. Klassen. Da es Neuland war und es keine Bücher dazu gab, haben wir selbst unsere Erfahrungen in unser Hausaufgabenheft eingebracht und dann von der Druckerei unseres Schulträgers drucken lassen. 

 

Die Grundideen waren schlicht. Aus Sicht der wirksamen Fünf:: Framy, Goaly und Feedy. Ein Rahmen, der uns Vorbereitungs-Zeit sparte … jede Woche hatte man ein Thema, über das man reden konnte. Ziele waren vielfältig formuliert. Hauptsächlich war es Hausaufgabenheft, aber auch Feedbackheft durch ein Strecktagebuch und Felder zum Ankreuzen … Platz auch für individuelle Reflexionen etc. Und klar, ich habe immer mit Visualisierungen gearbeitet.

Natürlich, die Entwicklung solch eines Heftes, das auf die eigenen Unterrichtsbedürfnisse zugeschnitten ist, braucht Zeit, aber der Einsatz zahlt sich in den Jahren danach aus. Erstens fühlt es sich gut an, wenn man sich so individuell ausgestattet hat. Zweitens baut das am eigenen Ruf und drittens steigert es die Effektivität der Lernleistungen der eigenen Schüler:innen. Ich wähle bewusst diese Reihenfolge, denn in diesem Büchlein geht es erst einmal um dich und dann um deine Schüler:innen. 🥳 Dir muss es gut gehen, damit es deinen Schüler:innen gut geht. So herum funktioniert es. Anders herum verausgabt man sich am Ende zu sehr.

So ein Berufsleben dauert immerhin ein paar Jahrzehnte. Deshalb ist der Blick auf sich selbst ein Muss. 

 

Meine Erfahrung sagt: Selbst entwickelte Hefte sind viel wirksamer als vorgefertigte. Wir aktiven Lehrer:innen scheinen tatsächlich einen großen Hang zum Individuellen zu haben. Trotzdem sollte man sich überall Ideen besorgen. Unsere ersten Hausaufgabenhefte sind hier einzusehen. Ich habe sie übrigens jährlich immer wieder an neue Überlegungen angepasst. Nach meiner Pensionierung habe ich sie zu Lerntagebüchern umgestaltet.  Und über Books on Demand ausdrucken lassen. Meine aktuellen Hefte lasse ich immer über epubli ausdrucken. Was früher die Druckerei unseres Schulträgers war, geht heute natürlich viel einfacher über eine Online-Druckerei. Zum Beispiel bei epubli: pdf hochladen, Exemplare bestellen. Fertig. Klar, das pdf muss man natürlich erstellen. 

 

Der Tipp des alten Schulmeisters heißt allerdings: Die Stufe des eigenen Lernheftes erst erklimmen, wenn das Effectarium schon im Rohbau steht. Wenn du wirklich das Gefühl hast, dass du jetzt die Zeit und die Muse dafür hast. Am besten ist es, solch ein Lerntagebuch wenn schon möglich zusammen mit deinen Schüler:innen zu entwickeln. Denn sie sollen ja damit effektiv arbeiten. 

 

Ich habe 2023 für eine Basler Schule die Ideen von damals zusammen mit den Erkenntnissen der letzten Jahre in ein aktuelles Heft gesteckt. Und die Brain Travelling Tour entwickelt, in der auch Teamy und Flexi ihren Platz haben. Zusätzlich habe ich noch Crunchy dazugepackt, um das Knacknuss knacken aus Luuise-Prozessen mit einbauen zu können. Wer sich hier Inspiration für eigene Heftentwicklungen holen will, kann sich gerne bedienen. Alle Visualisierungen sind natürlich cc by ottokraz, also frei weiterzuverwenden.

 

Der Tipp des alten Schulmeisters heißt also: Effectarium im Rohbau fertigetellen, dann die Feinarbeit mit Hilfe von eigenen fachlichen Rahmenkopiervorlagen (oder eigenen Online-Lektionen - wer sich das traut) und auf alle Fälle: Die wirksamen Fünf mit Hilfe eines eigenen Lernheftes wirken lassen. 

Ich habe für die Basler Schule neben dem Brain Travelling Book für die einzelnen Schüler:innen auch noch ein Transparency Book aufgelegt. In der Hattie-Studie tauchen die Faktoren „Kollektive Wirksamkeitserwartung“ und „Leistungsstand innerhalb der Peer-Group“ unter den Top Ten auf. Dem wollte ich gerecht werden. Da ich diese Hefte hier frei zugänglich bereit gestellt habe, will ich es hier nicht weiter vertiefen, sondern nur als Bilder hinterlegen. 

 

Eigene Hefte wie ein Team-Reflexionsheft oder ein individuelles Reflexionsheft sind die Kür beim Bau eines Effectariums und sollte nicht zu früh eingesetzt werden. Deine Schüler:innen müssen „reif“ dafür sein, die Lambda-Ebene muss stimmen und regelmäßiges Feedback muss zum Alltag in deinen Klassenzimmer gehören. Feedback jeglicher Art stärkt die Lambda-Ebene - das Problem ist, dass es, weil so simpel, oft nicht so ernst genommen wird. Auch weil es keine direkt sichtbaren Wirkungen hat wie bessere Noten. Deshalb gehören bei Entwicklungen direkt Schüler:innen mit ins Boot.

Damit die Entwicklung in deinen eigenen Unterrichtsräumen von der Lehrer:innenschule zur Schüler:innenschule und weiter zur SchüLehr:innenschule gehen kann. Also vom Dompteursunterricht zum Fachbegleiterunterricht zum Teamplayerunterricht. Aber dazu in einem späteren Kapitel mehr. Denn SchüLehr:innenschule ist das Ziel am Ende dieses Prozesses. In der SchüLehr:innenschule lebt es sich als Lehrer großartig.

 

Ich habe das selbst nur außerunterrichtlich genossen - in der Schülerschule am Faust - und dann später im Flügelverleih am Faust - aber in manchen Klassen konnte ich die SchüLehr:innenschule manchmal aufblitzen fühlen. Ich bin überzeugt, dass man sie sich in sein Effectarium holen kann.