8. Fachwissen vermitteln, Grundgerüste schaffen und die wirksamen Fünf als Assistenz einsetzen.
In einer Welt, in der Wissen zum Beispiel über Suchmaschinen oder ChatGPT für jeden in riesiger Hülle und Fülle verfügbar ist, bedarf es starker Wissens-Gerüste - sonst verliert man sich im Nirgendwo. Für den Bau eines modernen Effectariums mit modernen Mitteln empfehle ich deshalb die Erstellung von Fachgerüsten für Schüler:innen.
Auch Hattie weist in seinen neuen Studien explizit darauf hin, dass das Fachwissen einen zentralen Stellenwert einnehmen muss. Wer sein Lehrerleben de-implementieren will, der kann genau dies wunderbar nutzen. Lambda-Ebene plus Wissens-Gerüst bauen, das man für seine Klassenstufen erzeugt, die man unterrichtet. Um sie mehrfach zu verwenden. Immer wieder … gerne auch optimieren … aber nicht auf Perfektion setzen. Solide Gerüste bauen, um sich mit seinen eigenständigen Schüler:innen dort sicher bewegen zu können. Moderne Technik nutzen und alte solide Methoden des Fachunterrichts auspacken.
Auch das neue Buch von Hattie plädiert für eine Rückkehr zu einem wissenszentrierten Unterricht, der den Aufbau von Fachkompetenz in den Mittelpunkt stellt. Es zeigt auf, dass die gängige Idee, „Schüler:innen müssten vor allem lernen, wie man lernt“ ohne eine solide Wissensgrundlage nicht funktioniert.
Wenn Herr Trump und seine Leute gerade die Wissenschaft nach ihren eigenen Vorstellungen zurechtstutzen oder gar ganze Fachbereiche auflösen wollen, wenn sie nicht in die eigenen Vorstellungen ihrer eigenen teils sehr skurrilen Welt passen, dann sollten wir in der freien Welt verstärkt auf die Wissenschaft setzen, weil sie am Ende gewinnen wird - Mr. Trump hin, Mr. Trump her. Kaum ertragbare Zeiten, diese Zeiten, aber wer auf die großartige Idee kommt, ein ganzes Bildungsministerium abzuschaffen, um bessere Bildung zu bekommen, dem fehlen wahrscheinlich mindestens fünf Pfund solider wissenschaftlicher Bildung. Und das wird sich langfristig bitter rächen. Deshalb: Ich plädiere zwar dafür, unsere Bildungsministerien moderner aufzustellen, entwicklungsorientierter arbeiten zu lassen … wissenschaftlich orientiert … aber bitte im Bereich der Bildung bloß nicht zu sparen. So - genug über die Weltlage tief geseufzt … zurück zur Wissenschaft und zu John Hattie.
Hier also noch einmal einige sehr starke Hattie-Faktoren 2023 - mit ihnen sollte man effektiv das Wissensgerüst für seine Schüler:innen bauen.
Feedback: Unser Konzept der formative Evaluation, Peer-Feedback und regelmäßigen Reflexionen aller Art passen genau dazu. Stichwort: Eierkarton mit 10 Löchern.
Selbsteinschätzung des Lernens: Fordere deine Schüler:innen immer wieder auf, ihren Lernprozess regelmäßig zu reflektieren. Sie müssen wissen, wo sie stehen und wo sie innerhalb der Klasse stehen - auch wenn es manchmal schmerzhaft ist.
Metakognitive Strategien: Alle Ideen, die die Selbstreflexion von Schüler:innen fördern, sind hochwirksam. Übrigens nicht, weil Hattie dies eben so meint, sondern weil es das Fazit aus Tausenden von Einzelstudien weltweit ist. John Hattie und sein Team haben „nur“ akribisch all diese Studien in eine einzelne Riesenstudie gepackt.
Direkte Instruktion. Das ist der Ansatz, den Unterricht klar zu strukturieren und ein solides Wissensgerüst aufzubauen. Direkte Instruktion ist die Rehabilitation des oft in Verruf geratenen Frontalunterrichts - allerdings nicht als ausschließlicher Einzelfaktor, sondern als Wissens-Input kombiniert mit ganz viel Eigenständigkeit der Schüler:innen, in denen sie selbstständig am Wissenstoff wachsen können und stark werden. Mit einem eigenen Gerüst kannst du dich dann oftmals gut zurücklehnen. Später dazu mehr.
Gruppenpuzzle, der Ansatz, Schüler:innen mehr Verantwortung für ihren Lernprozess zu geben, ist damit verbunden.
Lehrer-Schüler-Beziehung: Die Lambda-Ebene ist genau das, was Hattie als extrem effektiven Faktor beschreibt.
Mit „alten und soliden“ Methoden meine ich übrigens Fach-Input kompakt, um Gerüstwissen aufzubauen. Schüler:innen müssen den Lehrplan kennen. Denn am Ende des Tages wollen alle gute Noten schreiben. Der Lehrplan ist Gerüst, den alle beherrschen müssen. Auch wenn man ihn selbst an manchen Stellen anders aufbauen würde, so macht es wenig Sinn, ihn nicht als zentrales Gerüst zu akzeptieren. Um sein Effectarium genussvoll leben zu können, muss der Wissens- und Kompetenz-Output deiner Schüler:innen stimmen. Deine nachfolgenden Kolleg:innen sollten feststellen können, dass Schüler:innen aus deiner Klasse den Lehrplan durchgespielt haben. Warum also nicht für jede Klasse einen Lehrplan für Lernende entwerfen und ihn auch zum Unterrichtsthema machen. Ein Gerüst für jeden, um sich nicht zu verlieren.
Ich habe einige Jahre lang mit einem Lehrplan für Schüler:innen in Mathe gearbeitet - fand es eigentlich gar nicht schwer, umzusetzen … habe es dann aber wieder aus den Augen verloren. Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Dabeibleiben lohnt sich wirklich. Für die Schüler:innen und für dich. Also immer Lambda vorausgesetzt. Denn dann wirken schüleraufbereitete Lehrpläne. Dann kann man als Lehrperson Verantwortung besser abgeben. Dann schafft man sich dadurch Luft und Zeit. Das ist ja das eigentliche Ziel: Zeit für neue Ideen, die Schule zum Lebenraum machen.
Die wirksamen Fünf als Erfolgsmodell.
Wir haben im letzten Sommer an der Hochschule für agile Bildung in Zürich aus den wirksamen fünf Prinzipien eines erfolgreichen agilen Unterrichts von Jasmin Venini ein ganz eigenes Erfolgsmodell abgeleitet: Die wirksamen Fünf. https://hfab.ch/2024/02/12/sind-schueler-jetzt-die-kunden-oder-wie/ Wer sich als Unterrichtmodell näher mit ihnen beschäftigen will, der möge unsere Blogbeiträge danach durchsuchen. https://hfab.ch/#blog Ich selbst habe auch schon ab Juni viel über die wirksamen Fünf erzählt. https://www.aufeigenefaust.com/2024/06/20/gehst-du-noch-zur-schule-oder-lernst-du-schon/ Es gab und gibt schon recht erfolgreiche Fortbildungen zu unseren fünf Gesell:innen Goaly, Flexi, Teamy, Feedy und Framy … deshalb werde ich hier keine Grundlagen vertiefen, sondern die wirksamen Fünf zum Bau unseres Effectariums einspannen.
Ich verwende einmal Jasmin Veninis Zusammenfassung der 5 Prinzipien:
„Kompakt: Fünf Prinzipien für einen agilen Unterricht
- Flexibilität Die Lehrperson erkennt an, dass Lernprozesse und Unterricht durch ihre Komplexität, nicht gänzlich planbar sind. Sie legt sich deshalb geeignete Strategien zurecht, um mit diesem Fakt einen konstruktiven Umgang zu finden. Insbesondere ist sie bereit dazu, im Unterricht spontan die Richtung zu ändern, sollte sie feststellen, dass die Klasse nicht in geplanter Weise auf den Lernstoff reagiert.
- Zielorientierung Die Aktivitäten der Schüler*innen sind auf klare Zielkriterien ausgerichtet. Die Konsequenz wirkt radikal: Alles, was der Erreichung kognitiver und sozialen-emotionalen Zielen (direkt oder indirekt) dient, gilt als wertvoll. Insbesondere bedeutet das auch, dass alles, was dem nicht entspricht, als wenig sinnvoll betrachtet und demnach gestrichen werden kann.
- Autonomie des Teams Besonders aus motivational-emotionalen Gründen, wird den Schüler*innen das grösstmögliche Mitbestimmungsrecht zugestanden. Die Lehrperson nimmt dabei die Rolle des «Servant Leaders» ein. Als solcher nimmt sie die Lernenden ernst und unterstützt sie dabei Entscheidungen zu treffen und ihre eigenen Lernwege zu gehen.
- Feedback Einerseits erhalten die Schüler*innen möglichst regelmässig Rückmeldung darüber, wo sie im Lernprozess stehen. Andererseits behält die Lehrperson die verfolgten Lernziele im Blick und evaluiert fortlaufend, wie es um deren Erreichung steht.
- Frameworks Die Lehrperson schafft Rahmenbedingungen, welche die Umsetzung der genannten Prinzipien mit einem höchstmöglichen Mass an Leichtigkeit gelingen lässt. Die Frameworks tragen dazu bei, dass Unterricht als komplexer Prozess nicht noch komplizierter wird, durch zusätzliche Verhaltensmaximen. Vielmehr sollen die Herausforderungen, welche sich durch die Komplexität von Unterricht ergeben, besser und einfacher bewältigt werden können.“
Wir haben daraus an der HfaB in Zürich fünf Assisten:innen entwickelt.
Flexi, Goaly, Teamy, Feedy und Framy.
Vielfältig einsetzbar, wie wir es sehen.
Ich mache das einmal für die Entwicklung deines Effectarium:
Also Framy: Framy fragt dich und deine Schüler:innen immer wieder, ob ihr den Lehrplan im Auge habt, ob der Wissensstand deiner Schüler:innen passt und wie man den Wissens-Rahmen weiter optimieren kann.
Wenn ich mal in meiner Erinnerungskiste wühle, dann fallen mir viele eng bekritzelte Blätter ein, die ich für meine Physik- und Matheschüler:innen kopiert hatte, um ihnen die Übersicht über den Stoff näherzubringen - häufig auch auf scheckkartengroßen Zetteln … als Formelsammlung. Einen klaren Rahmen geben und Verantwortung abgeben. Das ist der Sinn. Natürlich auch speziell für’s Abi, denn das gehört zum Effectariums-Ruf dazu: Der muss gut sein.
https://physikmaschine.jimdofree.com/physik-archiv/ab-zum-abi-klasse-11-12/
Ich denke, heute würde ich mir für einen eigenen Fachrahmen neben eigenen Online-Kursen Hefte basteln, die ich immer wieder verwenden könnte, um am Ende Zeit einzusparen. Ich habe sowas vor einiger Zeit als Auftrag für eine Schulklasse gemacht … sprechende Physikhefte … und darin die einzelnen Kapitel einfach selbst erzählt und über QR-Code zugänglich gemacht. Wen es interessiert, hier zur Vertiefung. https://www.aufeigenefaust.com/physik/ Zurück zu Framy. Egal wie, Framy ist für deine eigene Beruhigung und Entspannung wichtig. Der Rahmen muss deine Schüler:innen am Ende aus eurem Effectarium leistungsstark „entlassen“ - deinen „Ruf“ als „gute“ Fachlehrperson solltest du pflegen, damit du im Effectarium Narrenfreiheit hast. Framy schützt dich dabei.
Es macht übrigens Sinn, die wirksamen Fünf als Assistent:innen für alle wirken zu lassen, indem jede:r Schüler:in einen Part übernimmt. Bei 25 Schüler:innen gibt es dann jeweils fünf, die ihren eigenen Fokus aus Framy, Feedy, Flexi, Goaly und Teamy legen. Und die Rollenverteilung fünfmal im Schuljahr wechseln, dann haben deine Schüler:innen als coolen Nebeneffekt, dass sie für sich selbst die wirksamen Fünf als Assistenz mit aus deinem Unterricht nehmen können, um damit auch außerhalb erfolgreich an Projekten zu arbeiten.
Also: Die Framy-Leute haben immer den Leistungsstand der Klasse im Blick und berichten regelmäßig darüber. Auch für deine Schüler:innen muss es das Normalste der Welt sein, dass sie am Ende fachleistungsstark zu einer neuen Lehrkraft kommen. Allerdings: Ohne einen hohen Lambda-Faktor geht da natürlich nix. Denn durch die Rollenverteilung bekommen deine Schüler:innen ganz neue Rollen im Lernprozess. Und das ist Verantwortung. Mach dir im Sinne des Effectariums aber bitte keinen Stress, wenn die wirksamen Fünf als Rollenverteilung in der Klasse nicht so ganz einfach funktionieren. Schon das Wissen deiner Schüler:innen, welche Bedeutung diese 5 Prinzipien haben, hilft ganz viel.
Klar muss allen sein: Flexi fragt immer wieder nach, ob denn der eingeschlagene Weg noch optimal ist oder ob man etwas verändern sollte. Flexi arbeitet eng
mit Feedy zusammen. Feedy hat den Eierkarton mit den 10 Löchern unter ihren Fittichen. Die täglichen Fragestellungen bringen Transparenz ins Lerngeschehen.
Teamy ist verantwortlich dafür, sich um den Klassenzusammenhalt, das Klassenklima und das Wohlfühlen zu kümmern. Teamy macht immer wieder darauf
aufmerksam, welchen wichtigen Stellenwert das Wohlfühlen für das fachliche Lernen hat. Wohlfühlen ist ein Turbofaktor. Auch für deine eigene Arbeit. Dir muss es bei allem besonders gut gehen,
damit es deinen Schüler:innen gut geht.
Fehlt noch Goaly. Goaly hat immer das gemeinsame Ziel im Auge. Oder die gemeinsamen Ziele. Oder auch ein kleines Zwischenziel. Je nachdem, was ihr als Ziel festlegt. Ziele müssen für alle klar und transparent sein. Ein wichtiges Ziel ist nicht zu diskutieren: Der Leistungsstand am Ende des Schuljahres muss im normalen Rahmen sein. Aber die anderen Ziele können variieren. Jede Klasse ist individuell. Jede Klasse hat ihre eigenen Probleme, die man lösen könnte. Beim Luuise-Verfahren nennt man es Knacknüsse, die es zu knacken gilt. Gemeinsam. Auch Goaly kann sich dem Eierkarton mit den 10 Löchern bedienen, wenn sie festellen will, ob sich alle dem Ziel nähern. Ob die Nuss schon angeknackst ist. Die formative Evaluation eignet sich wunderbar, um solche Prozesse samt Erfolg zu beobachten.
Fazit nach diesem Kapitel: Ein solides Fachwissen samt Rahmen gehört im Effectarium zum Standard. Lambda muss dabei immer stimmen und mit den wirksamen Fünf kann man wunderbar und erfolgreich Prozesse entwickeln und auch seinen Schüler:innen ein hochwirksames Handwerkszeug an die Hand geben, das in vielen Lebenslagen großartig funktioniert.
