Man muss wissen, was man genau machen soll
4 Zusammenhang Lesen-Rechnen 1,37
(4b Kognitive Aufgabenanalyse - 1,09)
Ich widme hier der Nummer 4 der aktuellen Effektstärkenliste einmal ein eigenes Kapitel. Zusammenhang Lesen-Rechnen. Fast eine jede Leserin und ein jeder Leser kennt es von früher: Dieses Gefühl
der Ohnmacht zu Beginn einer Mathearbeit, wenn man den Aufgabentext nicht versteht. Man weiß, man hat in der Vorbereitung alles verstanden, aber jetzt ist da diese verschlossene Tür, hinter der
sich die Aufgabe versteckt. Dieser Faktor Zusammenhang Lesen-Rechnen mit der enorm großen Effektstärke taucht übrigens erst in der letzten erweiterten Studie auf. Die Hattie-Studie entwickelt
sich dadurch weiter, indem sie auch immer neue Faktoren untersucht. Wer weiß, wie prägend die Mathematik-Note für Schüler:innen ist … positiv wie negativ … der kann sich diese hohe Effektstärke
leicht erklären. Mathematik ist ab der 1. Klasse ein fetter Pflock im Leben von uns Menschen. Oft ein sehr bedrohlicher Pflock. Immer ein Hauptfach … bis hin zum Schulabschluss. Oft verknüpft mit
dem Gefühl von „Mathe? Bin ich schlecht.“ Fast nie verknüpft mit dem Gefühl „Mathe? Schreibe ich oft schlechte Noten, weil ich den Text der Aufgabe nicht verstanden habe. Wäre ich aber eigentlich
ganz gut gewesen.“ Viele merken es noch nicht einmal, wenn sie später z.B. als Jurist oder Betriebswirtlerin komplexe Organisationsstrukturen virtuos bedienen und sich den ganzen Tag sehr
erfolgreich mit Mathematik beschäftigen. Sagen dann noch immer: „Mathe, war ich immer schlecht.“
Nun verknüpfen wir diesen Faktor einmal mit der jüngsten IGLU-Studie zum Lesen und Textverstehen von Viertklässler:innen. 1/4 aller Viertklässler:innen können Texte nicht flüssig lesen und schon gar nicht gleichzeitig verstehen. Verstehen Sie: Wenn man seine ganze Energie in den schwierigen Vorgang des Lesens stecken muss, dann bleibt nichts mehr übrig, um das Gelesene auch parallel dabei zu verstehen. Verstehen Sie? Bei Mathe denken die meisten doch nicht ans Lesen. Wer aber eine Mathe-Aufgabe liest, aber sie nicht richtig versteht, der macht natürlich Fehler. In der Grundschule ist das noch kein so großes Problem. Aber spätestens ab Klasse 7, wenn Mathematik und Aufgaben komplexer werden, ist textverstehend lesen können ein absolutes MUSS, wenn man „gut“ in Mathe sein will. Das ist natürlich nur durch lesen üben, lesen üben, lesen üben, lesen, lesen, lesen … locker umzusetzen … durch die Schüler:innen selbst. Möglichst schon in der Grundschule. So kam ich als ehemaliger Mathelehrer übrigens auf Lauschlesen. 😎 Bin ja Opa von Schulkindern. Und weil mich das auch schon früher genervt hat, wenn eigentlich gute Mathematiker:innen schlechte Noten geschrieben haben - nur weil sie Aufgabentexte nicht richtig gelesen hatten. Aber Lesen kann man leider nicht so einfach beibringen wie Mathematik, Lesen muss man üben, üben, üben. Ist so.
Was man allerdings machen kann heißt kognitive Aufgabenanalyse. Und das könnte man SchüLehr:innen gut beibringen. Effektstärke 1,09. Sich auf die Aufgabenstellung fokussieren lernen. Lernen, dass man mit vermindertem Textverständnisqualitäten trotzdem seine Mathefähigkeiten ausspielen kann. Zweimal oder dreimal lesen hilft meist schon … aber man muss erst einmal rückgemeldet bekommen, dass man Textverständnisschwächen hat. Feedback von SchüLehr:innen kann da wunderbar dabei helfen. Weil SchüLehr:innen vielleicht selbst zu denen gehören, die Aufgaben zweimal lesen. Und die glaubhaft vermitteln können, das Lesen von Abenteuerbüchern für Mathematik und auch andere Fächer enorm viel bringt.
Bilderklärung. Unter Deutsch-Hausaufgaben Lesen steht in der Grundschule 1. Klasse oft „mindestens 10 Minuten am Tag lesen.“ Ein frommer Wunsch, das wissen viele Eltern. Leider, leider wird es aber nie mehr eine größere Motivation im Leben eines Menschen geben, wirklich lesen zu lernen. Und das Gehirn wird auch nie mehr so aufnahmefähig sein wie in der 1. Klasse. Die Nichtfähigkeit textverstehend und flüssig zu lesen wird später aber kaum mehr zentrales Thema … dann kämpft sich jeder selbst durch oder auch nicht. Hörbücher ersetzen ja auch meist das Abenteuerbuch. Ende der 4. Klasse erzählt dann die IGLU-Studie, was Sache ist. In der weiterführenden Schule setzt man flüssiges Lesen voraus. Vielleicht kann das Bildlein ein paar Grundschüler:innen bei der Anstrengung Lesen helfen. Gemein ist eben, dass wir Menschen hier so unterschiedlich schnell über den Berg kommen.