Ihr Kind kommt in einem Jahr in die Schule?
Sie wissen schon jetzt, dass Sie nicht zu den Eltern gehören, die Zeit zum Vorlesen haben?
Weil die Zeit fehlt? Weil Sie selbst nicht gerne lesen?
Oder weil Sie zu Hause gar nicht Deutsch sprechen?
Sie hätten aber schon gerne, dass Ihr Kind am Ende der 4. Klasse nicht zu den 25% der Kinder gehört, die nach der letzten IGLU-Studie so schlecht lesen können, dass sie keine Texte verstehen. Wer keine Texte verstehen kann, dem bleibt die Welt der erfolgreichen Bildung in der weiterführenden Schule verschlossen. Ich war Mathe- und Physiklehrer an einem Gymnasium und kann ein Lied davon singen, was es heißt, wenn Kinder zwar klug genug für die Matheaufgabe sind, aber die Aufgaben nie so richtig verstehen.
Als Schul-Opa frage ich mich natürlich, warum wir es im Kindergarten- und Grundschulbereich nicht geschafft haben, auf die überall beobachtbare Entwicklung im privaten Bereich professionell zu reagieren:
Die allgemeine Steigerung des Fernseh- und Medienkonsums samt Hörbüchern und das kontinuierliche Anwachsen der Zahl von Kindern, die zweisprachig aufwachsen … Deutsch im Kindergarten, Muttersprache zu Hause.
„ … Der soziale Status – Buchbesitz, Bildungsabschluss und Berufsstatus der Eltern – und die zu Hause gesprochene Sprache erklären die Leistungsunterschiede“, sagte Nele McElvany, Studienleiterin für Deutschland, im Interview auf ZEIT Online. Und weiter: „Wir müssen uns auf die Förderung der grundlegenden Kompetenzen konzentrieren. Ohne flüssiges Lesen geht gar nichts, und jedes vierte Kind kann derzeit das Gelesene nach vier Jahren in der Schule nicht ausreichend verstehen. …. Entscheidende Weichen werden schon vor der Schule gestellt.“ Andere Staaten haben auf diese allgemeine Entwicklung schon viel früher reagiert.
Ihr Kind kommt in einem Jahr in die Schule, aber im Kindergarten werden die Schulis noch nicht auf das Lesen vorbereitet? Dann fragen Sie doch einmal nach. Speziell wenn Ihr Kind zweisprachig aufwächst und ohne Förderung im Kindergarten logischerweise in der Schule von Beginn an Nachteile hat, obwohl Zweisprachigkeit eigentlich große Vorteile haben könnte.
„Da müsste doch endlich einmal die Politik …“ meinen Sie?
Sie haben recht, aber Sie werden es für Ihr Kind nicht mehr erleben. Dürften Schulkinder wählen gehen, wäre es eine andere Sache. Aber in der Bildungspolitik wurde seit Jahrzehnten eingespart. Keine Lobby.
Deshalb mein Tipp:
LeSingen im letzten Kindergartenjahr und im ersten Schuljahr … mit einem kontinuierlichen Übergang zum Lauschlesen ab Mitte des ersten Grundschuljahres.
LeSingen kennen Sie nicht, Lauschlesen auch nicht?
Ich erkläre es Ihnen.
LeSingen
Überzeugen Sie den*die Erzieher*in Ihres Kindes und auch möglichst viele andere Eltern, dass es sinnvoll wäre, schon zum Schulbeginn Lieblingslieder mitsingen zu können, indem man sie vom Textblatt abliest. Eine wunderbare und einfache Vorbereitung auf die Welt der Buchstaben und Wörter. Auf den Eintritt in die Welt der Texte und Bücher.
LeSingen-Hefte kann jede:r Kindergarten selbst entwickeln. Auch Eltern könnte man mit ins Boot holen. Mein kleines Heft ist nur ein Anschubser, könnte aber dazu genutzt werden, um Erzieher:innen zu überzeugen. LeSingen sollte man je nach Kindergarten individualisieren … Lieder nehmen, die sowieso gesungen werden. Dann z.B. mit A und B anfangen … oder auch experimentieren, ob es sinnvoller wäre, mit mama lala anzufangen. Kinder lernen schnell, viele schneller als Erwachsene. Man sollte es nutzen.
„Ohne flüssiges Lesen geht gar nichts, und jedes vierte Kind kann derzeit das Gelesene nach vier Jahren in der Schule nicht ausreichend verstehen. …. Entscheidende Weichen werden schon vor der Schule gestellt.“ Hiiiiilfe Leute, das kann nun wirklich nicht sein. Wartet nicht auf „die Politik“ … nehmt es selbst in die Hand und experimentiert im letzten Kindergartenjahr. Werft dieses „ach das wird schon gut gehen für mein eigenes Kind“ über Bord. Wir brauchen für die Bewältigung der Zukunft alle klugen Köpfe und dürfen es nicht zulassen, dass kluge Köpfe ihre Fähigkeiten nie ausspielen können, lebenslang. Nur weil sie nie richtig lesen gelernt haben. Nicht textverstehend lesen zu können ist auch in Zeiten von Hörbüchern eine meist völlig unterschätzte Grundfähigkeit für alle Menschen, auch in Zeiten von Künstlicher Intelligenz.
Lauschlesen
Hörbücher sollte man deshalb dringend ab der 1. Klasse in Lauschlesen-Bücher verwandeln. Bücher, die man anhören, aber leicht auch mitlesen kann, weil die Buch-Seiten angesagt
werden.
Eine kleine Idee mit großer Wirkung, wie die Praxis zeigt.
Auch für Lauschlesen-Bücher gilt: Leicht selbst herzustellen. Mein erstes Lauschlesen-Buch Friedel kann hier gerne wieder Anschubser sein, aber vor Ort könnte man für Grundschulen einfachst Lauschlesenbücher herstellen.
Ein Lieblingsbuch einmal vorlesen und dabei aufnehmen. Z.B. Audacity ist ein kostenloses Programm, in dem man leicht Abschnitte aufnehmen und als mp3 abspeichern kann. Und dann sollte man meiner Meinung nach einen billigen mp3-Player pro Buch bestücken und an das Buch heften. Man stelle sich eine Grundschule vor, in der die Bibliothek mit spannenden Lauschlesen-Büchern bestückt ist, die man hörend lesen kann. Man würde so das Lesen für alle Schüler*innen in der Schule auf ein höheres Niveau heben. Und nicht nur das derjenigen Schüler*innen, deren Eltern zu Hause dasselbe machen: Vorlesen und die Kinder lesen mit. Großartige Methode, flüssig lesen zu lernen. Auch immer wieder von Grundschullehrer*innen empfohlen. Aber mal ganz ehrlich: Selbst in deutschen Elternhäusern ist das meist ein frommer Wunsch der Pädagog;innen.
Deshalb mein Tipp als alter Schulmeister: Die Lust an Hörbüchern nutzen, sie in Lauschlesen-Bücher umwandeln und damit etwas für die Zukunft tun.
Übrigens: Man kann natürlich auch Hörbücher von Spotify mit dem Mikro aufnehmen, wenn man das Buch dazu besitzt und beim Seitenwechsel Spotify stoppen und die Seitenzahl einsprechen. Falls man sich nicht traut, selbst alles einzulesen.