U37 Agile Didaktik ist gesunder Menschenverstand
Ich sollte das Kapitel vielleicht doch etwas anders benennen. Denn es ist einfach für mich persönlich in den 35 Jahren Schulmeisterei sehr normal geworden und auch effektiv und schlüssig, mit Schüler:innen zusammenzuarbeiten. Vielleicht habe ich deshalb beim Vorplanen der einzelnen Kapitel diesen „gesunden Menschenverstand eingepackt. Wer es lange gemacht hat, diese Zusammenarbeit, dem kommt es nicht schwierig vor, kommt es vor, als wäre es der gesunde Menschverstand. Da doch eigentlich jeder seine eigene ernstgenommene Kindheit und Jugend sehr direkt in sich und mit sich herumträgt und eigentlich wissen müsste, wie ernstzunehmend man in der Jugend tickt und dass man zu wenig gefordert wurde. Na ja, vielleicht fällt es mir selbst eben so leicht, weil ich das jahrelang von meinen Schüler:innen lernen konnte.
Dass ich meinen früheren Umgang mit Schüler:innen im außerunterrichtlichen Bereich später als agile Didaktik bezeichnen würde, das wusste ich natürlich damals noch
nicht. Mit dem Begriff der Agilität kam ich erst nach meiner Pensionierung in Kontakt. Später nannte ich es lieber kollaborative Improvisation und heute entwicklungsorientierte Bildung.
Grundsätzlich geht es um Zusammenarbeit. Und zwar zwischen Lehrenden und Lehrenden, zwischen Lernenden und Lernenden und zwischen Lernenden und Lehrenden. Das ist der Knackpunkt. Das ist
die große Herausforderung. Die auch Lernende heftig fordert. Wer ernst genommen wird, der kann sich nicht mehr so einfach hinter seiner Schulbank verstecken. Agile Didaktik als
Entwicklungsorientierung ist der natürliche Paradigmenwechsel nach der alten Wissensorientierung und der scheinbar hochmodernen Kompetenzorientierung. Die aber in den meisten Schulzimmern immer
noch nicht so richtig angekommen ist. Aber keine Sorge: Mit dem Paradigmenwechsel zur Entwicklungsorientierung wird die Kompetenzorientierung samt der Wissensorientierung sowieso eingepackt.
Agile Didaktik bedeutet Ernstnehmen. Und Ernstnehmen ist eigentlich gesunder Menschenverstand. Ernstnehmen - beidseitig. Lehrende und Lernende. Für beide Seiten eine neue Herausforderung, die
sich lohnt. Für beide Seiten.
Die Herausforderung ist echte harte Arbeit, bedeutet viele Workshops, Sitzungen, Umorientierungen, Vollversammlungen, Skripte, Pädagogische Tage, Reflexionen, Feedback, Hilfe von außen … und
immer die Schüler:innen mit dabei. Aber es ist eine Notwendigkeit, wenn man Schüler:innen ernst nehmen und fordern will. Das Heranführen an die Eigenständigkeit sollte übrigens bis ins
Kindergartenalter reichen. Auch schon vor der Schule muss der Fokus stärker in diese Richtung gehen, damit der Start in der ersten Klasse für alle einfacher ist. Eigenständigkeit: Auch ein
Auftrag an alle Mamas und Papas.
Ein Bild aus der Mitte der Corona-Zeit - passt hier gut zum Thema