32 Den Wissensschweif nutzen
Ich hatte diesen Gedanken und die zugehörige Visualisierung schon in den ersten 3 Türchen meines letztjährigen Adventskalenders besprochen.
Türchen 1 - Der fachdidaktische Erklärkompetenzschweif.
Eines war schon in Weit im Winkl klar: Das aktuelle Schüler:innenwissen muss man als riesigen Schatz begreifen, bevor er sich in Vergessensluft auflöst. Ich denke, das Bild spricht für sich. Die daraus folgende zwingende Idee, wenn man Schüler:innen mit ins Bildungsboot nimmt: Man muss dieses zeitlich begrenzte, aber permanent vorhandene Schüler:innenwissen abgreifen und direkt und unmittelbar für den Unterricht der Zukunft nutzen lernen. Der Unterricht der Zukunft wird zusammen mit den Schüler:innen stattfinden.
Türchen 2 - Reziprokes Lehren
Jede:r, der:die früher Nachhilfe gegeben hat, weiß es: Durch die Wiederholung eines Stoffes, den man seine:r/m Nachhilfeschüler:in lehrt, vertieft sich das eigene Wissen und bleibt länger im Gedächtnis. Alle nachhilfegebenden Schüler:innen tragen somit noch einen wesentlich größeren Wissensschatz mit sich herum. Warum also nicht aus möglichst vielen Lernenden Lehrassistent:innen machen? In den früheren Großfamilien war das eine übliche innerfamiliäre Bildungsmethodik. Bei 12 Kindern war es normal, dass ältere Geschwister Erziehung mit übernommen hatten. Also: Die Vergangenheit in die Zukunft der Bildung gebeamt.
Türchen 3 - Kompetenzschweifstärkung durch Teams
Die Hattiestudie gibt natürlich auch das her. Team und Feedback sind der Schlüssel für erfolgreiche Schulzeit. Aber man weiß es auch aus der eigenen Erfahrung. Wenn man Schüler:innen als Team zusammenschließt und sie zu Lehrenden macht, dann gibt es eine weitere Vergrößerung des Wissensschatzes. Nun benötigt man „nur“ noch eine kluge Organisationsstruktur, um den Schatz auch zu heben. Dafür wird es in 100 Jahren natürlich keine Jahrgangsklassen mehr geben. Ist ja auch völlig aus der Zeit gefallen. Man weiß heute, dass der Entwicklungsstand von uns Menschen beim Übergang in die weiterführende Schule bis zu 6 Jahre auseinander liegt. Trotzdem schreiben üblicherweise alle zur selben Zeit dieselbe Klassenarbeit. Da ist Schulfrust ins System Schule eingebaut. Muss überhaupt nicht sein, meint man in Weit im Winkl 2.0.
Ja ich hatte im Adventskalender Weit im Winkl aktualisiert und das alte Weit im Winkl 1.0 zu Weit im Winkl erweitert. Das ist dann eigentlich schon ziemlich Schüler:innenschule 3.0.
Denn bei diesem neuen Konzept für die Zusammenarbeit von Lehrenden und Lernenden muss man diesen Schatz nutzen, der sich sonst immer wieder in Luft des Vergessens auflöst. Klar ist es im ersten Moment anstrengend für Schüler:innen, ihren Schatz der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, bevor er seine kolossale Qualität verloren hat. Aber nach und nach werden sie merken, welche neue Lebensqualität daraus erwachsen wird. Und umgekehrt werden alle anderen merken, wie normal sich Lernende auch als Lehrende einbauen lassen - wenn man die Organisation von Schule und Lernen radikal ändert.