13 Die Droge des gegenseitigen Ernstnehmens
Ich zitiere einmal einen ehemaligen Aktiven vom Faust-Gymnasium, wie er im alten pädagogischen Schweizermesser die eigene Schulzeit in Bezug auf die Schükerschule 1.0 rückwirkend gesehen hat. Ich denke, der Beitrag spricht für sich, wie ich das meine mit dem gegenseitigen Ernstnehmen. (Kapitel 17 … S. 318 auf https://www.aufeigenefaust.com/otto-kraz/otto-kraz-rueckblick/das-pädagogische-schweizermesser/ )
BEMERKUNGEN VOM ANDEREN ENDE DER WELT.
manomann, also, meine drei weisheiten zur schuelerschule. ist nicht einfach, wenn man in dieser schule grossgeworden ist, nein, das ist falsch, ich bin in ihr erwachsen geworden. also, das ist jetzt auch nicht ganz richtig. denn diese schule war ja gerade erst im begriff zu entstehen, sie gabs in dem sinne noch nicht so richtig. genau- so wenig den begriff schuelerschule. ich denke, dass ich grosses glueck hatte, genau in der phase am faust sein zu duerfen, als alles entstand. und – und das denke ich ist die kernaussage – dass ich da mitgestalten durfte. denn so komisch und ideell das fuer aussenstehende klingen mag, wir haben unsere eigene schule gemacht. nein, nicht den unterricht, aber alles drum herum. damit wurden wir gross. und damit wuchs dann wiederum etwas, was so sicherlich einmalig war in der deutschen schullandschaft. schueler in voller verantwortung, aber auch in vollem vertrauen des direktors und der vertrauenslehrer. uns wurden kreative freiraeume gegeben, die wir dankend annahmen, sie aber auch einforderten und damit ploetzlich neben dem lehrplan die chance bekamen, uns als menschen zu entfalten, eigenverantwortung zu ueben, es lernten vor grossen gruppen zu reden, zu verkaufen, zu begeistern, zu motivieren, zu delegieren – das alles aber nicht als einmann/frau show sondern als team. vier von uns. wenn ich heute in der vorlesung stehe und sich alle neugierigen augen von undergraduate studenten auf mich richten, bin ich erstaunlich ruhig. es ist einfach wie damals, egal ob als band beim open air, oder als wir vor den elternvertretern und der gesamtlehrerkonferenz unsere ideen zu suchtprevention oder schul cd verkauften, kredite einforderten und der gleichen. es ist fair zu sagen, dass ich mit und dank der jahre smv als mensch gewachsen bin. nicht, dass mir dies damals bewusst gewesen waere. da zaehlte nur der spass und das engagement und ideen nicht nur spinnen sondern auch umsetzen. aber ich merke das heute, dass ich damals als persoenlichkeit unglaublich gereift bin, ja eben auch durch und mit der schuelerschule erwachsen geworden bin.
die andere wichtige erkenntnis ist, dass wir uns nie nie von leeren kassen des schultraegers, landes, von den gehobenen und warnenden zeigefingern von eltern, oder anderen mitschuelern davon haben abhalten lassen, unsere ideen durchzusetzen. schliesslich hielten uns alle fuer total verrueckt, die 15.000 mark fuer das rock- cafe aufzunehmen. niemand traute uns das zu. hah, denen haben wirs gezeigt. und das gab den optimismus fuer die persoenliche buergschaft fuer die 25.000 mark fuer proberaum und schul-cd.
es war eine absolute initialzuendung, persoenlich zu erfahren, dass vorhandene hindernisse immer nur dann hindernisse sind, wenn man vor ihnen verzagt. es geht auch trotz knapper kassen und dazu noch in einer form, die eigenverantwortung staerkt, und diese in verbindung mit ideen zu gelungenen projekten fuehren kann, die schule zur erlebniswelt machen, die ueber unterricht
klar hinausgeht. hier konnten wir uns als menschen einbringen, sozial, menschlich, organisatorisch, als teamplayers, als individuen, als musiker, kameramann, graphiker. es zeigt ganz klar, dass man schuelern einfach mal was zutrauen sollte, ihnen eine buehne (also frei- und entfaltungsraeume) geben muss, denn dann entsteht etwas, das wirklich dem immer mehr eingeforderten begriff der schule als erziehungsort gerecht wird.
das faust steckt tief in mir drin und es ist einfach wahnsinnig irrre zu sehen, dass sich das mitterweile von generation zu generation weitervererbt. somit war das keine eintagsfliege, sondern vielmehr beweis dafuer, dass es genau so was braucht. schuelerschule als ort der persoenlichkeitsentwicklung, als gemeinschaft, die das gemeinsame einbringen von ideen und engagement nicht nur erklaert, sondern als innbegriff des eige- nen selbstverstaendnisses foerdert und fordert, es schaetzt und anerkennt.
... das faust steckt tief in mir drinnen ...
wie gesagt, ich durfte dabeisein, aber gleichzeitig durfte ich einer derjenigen sein, die dies aufgebaut haben. wenn man sich spaeter im studium oder auch jetzt im job an der uni mit leuten nicht nur aus anderen gymnasien, bundergebieten, laendern und kontinenten ueber ‚back in those days‘ unterhaelt, dann merke ich immer wieder, wie das faust in dieser hinsicht einzigartig war und ist. ich ging nicht nur ans faust, ich ging auch im faust auf – als mensch!
Sebastian Kaempf ist heute selbst Hochschul-Lehrender in Brisbane. Ich verlinke hier gerne einmal seinen Podcast. https://www.aufeigenefaust.com/friends-1/highered-heroes-podcast/
Ich denke, man spürt, dass noch immer das Faust in ihm steckt.
Jaja, werden jetzt viele denken. Dieser Dr. Kaempf war eben ein Ausnahmetalent an schulischem Aktivismus. Nö, muss ich da sagen. Stimmt so nicht. Klar war er Schulsprecher und damit ganz vorne mit dabei …. Aber im Laufe der Jahre waren es am Ende beinah 50% unserer Abiturient:innen, die mit Aktiven-Zertifikaten aus dem außerunterrichtlichen Bereich die Schule verließen. Deshalb: Ich behaupte: Mit dem richtigen Ansatz in Sachen gegenseitigem Ernstnehmen geht sehr viel.
Noch eine Bemerkung zum Filmchen:
Echtes Ernstnehmen von Schüler:innen ist ein Katapult.