Weit im Winkl 1.0
Die neue Lehrerrolle
In den ersten beiden Jahren war es schwer für manche Kolleg/innen, sich in die neue Rolle hineinzufügen. Man war es gewöhnt, sein Klassenzimmer zu schließen, seine feste Zahl an Schüler/innen einer Klasse zu unterrichten und am Ende selbst für die Benotung verantwortlich zu sein. Jetzt wurde man echter Dienstleister in Sachen Englisch, Mathe oder Geschichte und die Schüler/innen waren für ihren Wissenszuwachs selbst verantwortlich. Manchmal hatte man nur 5 Schüler und manchmal waren es dann wieder 30. Manchmal bekam man Aufträge aus einem Schüler&innen-Team, mit denen man diese Gruppe versorgen sollte und manchmal wurde man nur für einen Zehnminutenvortrag gebucht. Manchmal standen da ein paar Zehntklässler&innen, die sich auf eine eigene Lehrstunde vorbereiten lassen wollten und manchmal sollte man das Konzept eine Schülerunterrichtseinheit begutachten. Man spielte als Lehrer viele verschiedene Rollen. Unterrichten war die kleinste geworden. Koordinieren von Prozessen nahm eine große Rolle ein. Aber dafür hatte man sich in der Laborschule auch genügend Zeit gelassen. Die Lehrer/innen selbst mussten sich wohl fühlen. Mussten das System komplett mitentwickeln. Mussten die Prozesse verstehen lernen. Keine Uni hatte sie auf solche neuen Situationen vorbereitet. Da man meist sowieso mit Kollegen, Fachleuten von außen oder älteren Schüler/innen Lernprozesse begleitete, war dieses Einzelkämpfertum Geschichte geworden. Und plötzlich blühten auch diejenigen Lehrer auf, die in früheren Zeiten für Schüler als die schlechteren Pädagogen galten, weil sie nicht so gut motivieren konnten wie andere Kollegen. Denn die Zeiten, in denen der Lernfortschritt eines Schülers zu einem großen Teil von der Akzeptanz des Lehrers abhing, war durch die allgemeine, emotionale und hohe Akzeptanz des gesamten Systems abgelöst worden. Die einzelne Lehrerpersönlichkeit spielte nicht mehr diese große Rolle und das war gut so. Denn endlich war die viel zu hohe Erwartungshaltung an die Brillanz eines Lehrers der Erwartungshaltung an ein System gewichen. Und das System Café L konnte die Erwartungen 150% erfüllen.
"Und das alles ohne Selbst- und Fremdevaluation?" sagte im Jahre 2023 verwundert so mancher Schultheoretiker, als der Schwindel aufgeflogen war. "Evaluieren," sagten die Weit im Winkler, "tun wir doch jeden Tag. Wer so eng zusammenarbeitet wie wir kommt ohne dauernde Prozessbegleitung doch gar nicht aus."
Weit im Winkl 2.0
In 100 Jahren wird die Lehrerausbildung anders aussehen … logisch. Solche Hochschulen wie unser kleines aber feines Hochschule-StartUp in Zürich - die Hochschule für agile Bildung - wird das Normal sein.
Weil wir Menschen eine ziemlich kluge Spezie sind, auch wenn man sehr oft daran zweifeln könnte. Die Zukunft wird sich durchsetzen … Was sagte Karl Popper: „Es gibt zum Optimismus keine Alternative.“ Ich finde, er hat recht. Deshalb wünsche ich allen Leser:innen dieses kleinen Adventstürchenblogs eine optimistisch duftende Weihnacht und einen guten Rutsch in neue Jahr.
Heinz Bayer alias Otto Kraz