Türchen 21 - Weit im Winkl 16

Weit im Winkl 1.0


Zu Grundlage 2
. Menschen entwickeln sich unterschiedlich schnell...... ja hier ergab sich im Rückblick die wahrscheinlich allergrößte Veränderung im Laborgymnasium verglichen mit dem alten Schiller. Da es nur noch ein einziges Bildungssystem in diesem abgelegenen Winkel am Ländlesrand gab, entfielen Dinge wie : Wann genau einschulen? Gymi oder Realschule oder Werkrealschule? Enderle und Rütli hatten zusammen mit einem 24köpfigen Entwicklungsteam aus allen Schulen inklusive Kindergarten gehirnt und geplant, was das Zeug hielt. Denn allen war klar: Schnitzer durfte man sich nicht leisten, sonst wäre ihr Traum schnell geplatzt. Man brauchte zufriedene Eltern, zufriedene Schüler und zufriedene Lehrer. Und zwar 100%. Alle mussten dicht halten und am Ende mit dem Abschluss zufrieden sein, auf den es in diesem System dann hinauslief. Aber da die Quote der Abiturienten schon nach 4 Jahren bei 50% lag und den Hauptschulabschluss eigentlich nur noch diejenigen machten, die schon erfolgreich in der 9. Klasse ihr berufliches Glück außerhalb der Schule gefunden hatten - das waren pro Jahrgang immer nur ein oder zwei Schüler und alle anderen machten die mittlere Reife - war in kürzester Zeit allen klar: Diese Idee des individuellen Lerntempos vom Kindergarten an hatte nur Bildungsgewinner. Halbe Halbe Abi und Mittlere Reife und keinen einzigen Schüler in den ersten 15 Jahren, der am Ende keinen soliden Abschluss hatte, das war sensationell. Wie gerne hätten es die Weit im Winkler in die Welt posaunt. Aber da war man sich einfach näher als der Welt. Der Schwur der Randregion, nichts aber auch gar nichts nach außen dringen zu lassen, hielt, als wäre es ein echtes Gesetz, das man bei hoher Strafe nicht übertreten darf.

 

So kam es, dass man in Weit im Winkl einen ganz anderen Blickwinkel auf Bildung nehmen konnte. Erst wenn das Interesse da ist, lohnt es sich, das Thema anzugreifen.

 

2b) "Schatzsuche" nannte sie die Kurse, die sich nur damit beschäftigten, bei den jungen Menschen Interesse für ein Fach zu wecken. Vor jedem größeren Kapitel gab es eine Runde Schatzsuche. Und erst wenn die Schüler/innen selbst signalisierten: "Bin bereit", dann konnte man das nächste Kapitel angehen. "Wissensnetz" nannten sie das Geflecht von einzelnen Kapiteln, das es zu erarbeiten galt. An den Inhalten konnten sie wenig ändern, immerhin waren sie von den zentralen Abschluss-Anforderungen abhängig. Seit man "Schatzsuche" eingeführt hatte, waren die Inhalte für die meisten kein wirkliches Thema mehr. Allen war das Prinzip klar: Ich muss meinen Schatz heben, dann das Wissensnetz durchlaufen, um am Ende meinen schulischen Abschluss erfolgreich zu erreichen. Da es keine festen Jahrgänge mehr gab, sondern nur noch einzelne Kapitel innerhalb des Wissensnetzes, die man mit dem großen OK-Stempel abschließen musste, um sich ans nächste Kapitel zu machen, hatte jeder Schüler sein eigenes Lerntempo. Wählte sich immer ein zeitlich passendes Kapitel, das in dem jeweiligen Fach dran war, um weiterzuarbeiten.

 

In der Mitte von Klasse 8 gab es die große Prüfung für alle und zwar in allen Fächern. Auch sie wurde nicht vom jeweiligen Lehrer abgenommen, sondern war eine standardisierte Prüfung, anhand der man einsehen konnte, wo der aktuelle Stand des Schülers war. "Karten aufdecken" nannte man diesen Prüfungs- und Beratungsmarathon, der dazu diente, die nächsten Schritte vor, in und nach NEUN zu besprechen. Man konnte übrigens auch während NEUN in Form von Abendkursen im Wissensnetz aufholen, falls man genügend Energie aufbringen konnte. Für manche war genau dies eine wesentliche Erfahrung ihrer Leistungsfähigkeit.

 

Weit im Winkl 2.0

ich denke, bis in 100 Jahren wird das fachliche Feedback von KI übernommen sein. Es wird einem als junger Mensch einfach kleinschrittig permanent rückgemeldet, wo man steht und wo die Lücken zu finden sind. Es wird normal sein, dass man sich permanent Hilfen holt. Von Mitschüler:innen, von Lehrer:innen, von allen möglichen Informationsmöglichkeiten. Die Feedbackplattformen zum individualisierten Lernen - wie heute etwa Scobees - werden das Normal sein. Benotende Lehrer:innen Vergangenheit. Es wird darum gehen, die Fähigkeiten jedes Einzelnen herauszukitzeln … und dann wird die Hattie-Studie mit der Umsetzung der Faktoren mit den höchsten Effektstärken natürlich voll zum Tragen kommen.