Bevor ich in meiner losen Blogbeitragsfolge zum Thema agiles Lehren und Lernen hier beim Forum agile Verwaltung zu konkreten Ansätzen komme, werde ich einmal versuchen, für mich selbst eine passende Vorstellung von Agilität in diesem Bereich zu entwerfen.
„Die vier Dimensionen von Agilität“ lese ich da gerade bei Prof. Dr. Stephan Fischer – Direktor am Institut für Personalforschung, Hochschule Pforzheim.
Die vier Dimensionen von Agilität: Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kundenzentriertheit und Haltung … Und ich versuche es, in meine alte Schulwelt einzuordnen.
Unsere Kunden waren manchmal junge Menschen, denen man schon in der Anfangsklasse am Gymnasium angesehen hatte, dass sie bald schulische Schwierigkeiten bekommen würden. Weil sie zwar Fähigkeiten hatten, diese aber nicht wirkungsvoll ausspielen konnten. Der Kunde: Zum Beispiel ein hibbeliger Fünftklässler, der nicht ruhig sitzen kann und der seiner Leidenschaft frönt, unentwegt und charmant Späßchen zu machen. Aber man kann sich bei solch einem Fünftklässler vorstellen, dass diese Fähigkeiten und der Charme des Unkonventionellen in den nächsten 15 Jahren z.B. einen respektablen Staatsanwalt heranreifen lässt, wenn man den jungen Mann bis zum Abitur passabel begleiten könnte. (Haltung)
Bei einem agilen Projekt, das ich hier kurz beschreiben will, gab es damals etwa 10 von diesen charmanten aber schwierig beschulbaren späteren Staatsanwälten, Lehrern oder Bankern in der Jahrgangsstufe fünf. Und mein Team hatte Lust, präventiv zu arbeiten und erfand „Jump and Win“. (Kundenzentriertheit und Anpassungsfähigkeit).
Wir haben die zehn wackeren Knaben zu dem Projekt eingeladen und ihnen erzählt, dass sowas in der Industrie höllisch viel Geld kosten würde. Der Ablauf: Einmal in der Woche Treff zum Jump in der Mittagspause: Turnhalle … 10 Trampolins .. 10 Funkkopfhörer auf dem Kopf … Und dann hüpfen. Den Schulvormittag mental weghüpfen. Um sich nebenbei von den beiden betreuenden Lehrern den Blickwinkel auf Lernprozesse ändern zu lassen.
Zumindest haben wir das versucht. Eine kleine Sendestation und ein Mikro … Direkt auf die Ohren … Der Körper beschäftig, das Hirn aufnahmefähig, so unser Ansatz. Wissenschaftlich unterlegt? Nö, natürlich nicht. Wir hatten Lust, wir hatten eine Idee, wir haben sie ausprobiert (Anpassungsfähigkeit. Geschwindigkeit). Auch unsere Kunden waren dann des Öfteren am Mikrofon und haben ihren 9 Mithüpfern erzählt, wie sie selbst am besten schulische Probleme knacken würden. Nach einer halben Stunde Hüpfens haben wir dann immer zusammen in der Mensa gegessen, das Lerntagebuch, das es zum Kurs gab, besprochen und die Jungs danach zum Flügelverleih entlassen, unserer schuleigenen Nachmittagsschule.
Soweit Jump&Win und klar würde ich heute sagen: Voll agil diese Aktion damals. Wenn auch der Erfolg nur bei drei der Zehn direkt sichtbar wurde. Aber sicher hat dieses verrückte Hüpfen bei allen eines hinterlassen: „Ich werde ernst genommen.“ Wir haben diesen Aufwand wahrscheinlich auch deshalb kein zweites Mal betrieben, weil die Ergebnisse nicht so direkt für alle erfolgreich wurden. Das „Definition of Fun“ hat auch für agile Schulmeister eine wichtige Bedeutung.
Ich würde als jemand, der bis vor einem Jahr überhaupt nicht wusste, dass so manches in seinem Lehrerleben von Wissenschaftlern begrifflich in den Bereich Agilität gepackt wird, einmal folgende These aufstellen: An allen Schulen gibt es Schulmeister&innen, die so ticken wie mein damaliges Team und ich. Die experimentieren und ausprobieren und verwerfen und anpassen und den Kunden Schüler im Auge haben. Die genau wissen, dass der Kunde Schüler in 15 Jahren natürlich als ernsthafter Leistungsträger der Zukunft in der Welt herumlaufen wird, weil die Gesellschaft ja nicht 10.00 € pro Jahr und Schüler/in nur zum Noten-bekommen in Schule investiert. Dass es nicht um das eigene Fach geht, sondern um die Komplexität jedes einzelnen jungen Menschen, die es in der Gesamtheit zu fördern gilt. Am besten agil. Ich zitiere Professor Fischer „Definition: Agilität als höchste Form der Anpassungsfähigkeit.“
Und klar ist doch: Der Unterricht muss möglichst gut an den Kunden angepasst werden und nicht der Kunde möglichst gut an den Unterricht. Also: Es gibt an allen Schulen agiles Lehren und Lernen. Aber es sind eher Inseln in einem Meer des Unterrichtens, wie das unsere Großeltern schon kannten. Was spricht denn dagegen, die Inseln zu vernetzen, um das Meer zu infizieren … um am Ende Schulen für unsere Enkel&innen entstehen zu sehen, in denen sich komfortabel leben lässt.
Wir haben deshalb das Forum agiles Lehren und Lernen unter dem Dach des Forums Agile Verwaltung gegründet (FAL&L) und basteln jetzt agil an der Vernetzung. Die erste Tagung kommt bestimmt … Also 2018. Man benötigt ja auch als Agiler trotzdem Zeit für eine gute Vorbereitung.